Seto-, Oribe- und Mino-Keramik: eine Einführung
Wenn du anfängst dich mit japanischer Keramik auseinanderzusetzen, dann wird du eines Tages auf Mino- und Seto-Keramik (jap.: Mino-yaki 美濃焼, Seto-yaki 瀬戸焼) stoßen. Mino und Seto beschreiben keinen Stil, sondern eine ehemalige Provinz bzw. Region. In Japan ist es nämlich üblich, Keramiken nach ihrer regionalen Herkunft zu bezeichnen. Ziel dieses Artikels ist, dir einen Überblick über die Geschichte und Stile der Mino- und Seto-Keramiken zu geben. Um den Umfang des Artikels nicht zu strapazieren, wird an dieser Stelle Shino-Keramik als Teil von Mino bewusst ausgelassen, da Shino einen eigenen Beitrag verdient.
Man kann Mino-Keramik nicht völlig isoliert von Seto-Keramik betrachten. Denn die heutige Stadt Seto ist nur einen Steinwurf von der ehemaligen Provinz Mino entfernt. Streng genommen werden sie sogar nur durch einen Gebirgspass getrennt und haben sich im Laufe der Jahrhunderte stets gegenseitig beeinflusst. Beiden wird von Forschern wie Louise Allison Cort eine Schlüsselrolle in der japanischen Keramik-Entwicklung zugesprochen. Mino wurde zusammen mit der ehemaligen Provinz Hida im Jahre 1876 zur heutigen Präfektur Gifu vereint.
Kyôto 2019
Von großer Bedeutung ist die zentrale Lage, die es den Öfen ermöglichte, die Nachfrage von Zentral-Japan und somit Ballungsgebiete und die kulturelle Hochburg Kyôto zu bedienen, was sich besonders in der Entwicklung von Tee-Keramiken widerspiegelt, die den ästhetischen Normen entsprechend hergestellt wurden. Südwestlich liegen die Städte Nara, Kyôto, Ôsaka und Sakai in einer Entfernung von ca. 130km Luftlinie. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Stadt Nagoya. Die Seto- und Mino-Öfen waren aber nicht die einzigen in der Region. Der Ballungsraum von Kyôto bis Sakai lag in Nachbarschaft zu den Tanba- und Shigaraki-Öfen, etwas weiter im Westen lagen bereits die Öfen von Bizen. Südlich von Nagoya wurden in Tokoname ebenfalls Keramiken gebrannt. Allerdings wurde in keinem der vier Töpferzentren glasierte Keramik hergestellt. Diesem Umstand verdankten die Seto- und Mino-Öfen ihre exklusive Stellung in der Region.
Außerdem verstanden es die Töpfer, auf Trends der Zeit zu reagieren, daher lassen sich Imitationen bzw. Variationen von anderen populären Keramiken wie Iga, Bizen und Karatsu finden, von denen letztere eine große Ähnlichkeit zu weißen Shino-Keramiken aufweisen. Der technologische Ursprung beider Töpferzentren liegt in der Sue-Keramik begründet, die zwischen dem 4. und 5. Jahrhundert eingeführt wurde. Die Töpfer der Sanage-Öfen entdeckten Mitte des 8. Jahrhunderts die erste japanische Glasur. Dieses Alleinstellungsmerkmal hielt nicht lange, denn die Technik verbreitete sich im 9. Jahrhundert bis hin zur östlichen Mino-Provinz. Obwohl diese glasierten Keramiken zunächst an Popularität gewannen, nahm ihre Beliebtheit rasch wieder ab, da der Bedarf an Luxusartikeln durch China-Importe gedeckt wurde. Die Öfen reagierten infolgedessen mit der Massenproduktion von unglasiertem Alltagsgeschirr.
Unglasierte Yamajawan wurden im ganzen Land als Gebrauchsgeschirr hergestellt
In Seto wurde eine neue Glasur entwickelt. Bis ins 15. Jahrhundert produzierte man ausschließlich in Seto glasierte Keramiken, häufig nach chinesischem Vorbild. Man versuchte grüne Seladone und Jian-Teeschalen zu imitieren, die Resultate wichen allerdings deutlich von ihren Vorbildern ab. Nichtsdestotrotz konnten sich nur die wohlhabenden Bürger Japans diese Imitate leisten – ein Zustand, der bis ins 16. Jahrhundert anhielt.
Klassische Seladon-Schale nach chinesischem Vorbild
Im 14. und 15. Jahrhundert nahm durch den Einfluss der Teekultur der Anteil von Teeutensilien zu, die besonders im Westen, in Kyôto, Nara, Hakata und Sakai vertrieben wurden. Die Mino-Öfen erstreckten sich über ein Gebiet, das heute durch die Städte Tajimi, Toki und Mizunami abgedeckt wird. Die Öfen im östlichen Mino brannten bereits im frühen 15. Jahrhundert glasierte Keramiken im Seto-Stil. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Produktionsmenge und die Ofenzahl von Seto gar übertroffen. Im 16. Jahrhundert war die Produktpalette aus Mino und Seto weitestgehend identisch. Erst im späten 16. Jahrhundert widmete man sich in Mino neuen Glasuren und Formen. Die Seto-Töpfer zogen wegen der größeren Aktivität und der sichereren geographischen Lage schließlich nach Mino.
Schale im ko-Seto-Stil
Der Begriff setomono (Seto-Waren) stammt vom Dorf Seto, welches den Mittelpunkt der Ofen-Gruppe bildete. Heute bezeichnet man die frühen glasierten Keramiken vom 12.–15. Jahrhundert, die einen starken chinesischen Einfluss aufweisen, als ko-Seto (altes Seto). Ein Grund für die Weiterverwendung des Gattungsbegriffs Seto im 16. und 17. Jahrhundert in Mino kann auch die bereits etablierte Reputation dieser Ware in den vergangenen Dekaden sein, die durch die Zugehörigkeit der Region zu Oda Nobunaga (1534–1582) verstärkt wurde.
Unter der Tokugawa-Herrschaft wurden die Mino-Öfen mit denen aus Seto fusioniert und unter dem bereits etablierten Namen weitergeführt. Erst im 20. Jahrhundert wurde diese Einteilung revidiert und den Innovationen, die aus den Mino-Öfen hervorgingen, Rechnung getragen. 1930 entdeckte Arakawa Toyozô (1894– 1985) eine weiße Shino-Teeschale in der ehemaligen Mino-Region. Anschließende Untersuchungen zeigten einen Zusammenhang zwischen Mino und den neuen Glasuren der Momoyama-Zeit, wie z.B. Shino, auf. Aber erst seit der späten Shôwa-Zeit (1926–1989) wird Mino-Keramik als eigenständige Gattung anerkannt.
Wie eigentlich alle in Mino produzierten Waren, nannte man auch Oribe-Keramik zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Seto-Keramik. Takeuchi Jun’ichi macht die erste schriftliche Quelle, die Oribe als Namensgeber adaptiert, erst 55 Jahre nach Oribes Tod aus. Etabliert hat sich diese Bezeichnungsweise in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Gelbes Seto (ki-Seto)
Gelbes und schwarzes Seto
Eine begriffliche Unterscheidung zwischen Mino und Seto fand bis in die jüngste Zeit nicht statt. Vielmehr machen die Begriffe Seto-guro (schwarzes Seto) und ki-Seto (gelbes Seto) deutlich, dass die Märkte Mino-Keramiken als einen Zweig der lange bekannten Seto-Öfen ansahen, obwohl diese nicht in den umliegenden Öfen der Stadt Seto produziert wurden.
Gelbes Seto entstand bei dem Versuch, grünes Seladon aus China zu imitieren. Die typisch grüne Farbe wollte nicht gelingen, stattdessen entstand eine gelbliche Glasur, die später mit grünen Tupfern dekoriert wurde. Es folgt ein Bild eines modernen ki-Seto Teebechers, hier findest du ein Foto eines historischen Originals.
Mit Seto-guro ist ein Typ von schwarzen Teeschalen gemeint, die bereits in der frühen Phase der Momoyama-Zeit (1573–1615) hergestellt wurden. Auffällig ist, dass im Gegensatz zu ki-Seto ausschließlich Teeschalen in diesem Stil hergestellt wurden, jedoch keine Teller, Vasen oder Essgeschirr. Die schwarze Glasur wurde durch das Herausziehen der Teeschale während des Brandes erzielt, eine Technik, die ich bei Raku bereits vorgestellt habe.
Der Einfluss Furuta Oribes
Oribe-Keramik (Oribe-yaki) ist eine Edo-zeitliche (1615–1868) Bezeichnung für Teeschalen, von denen man dachte, dass sie Furuta Oribe (1544–1615) gefallen haben, weswegen ihm sogar von einigen Autoren ein direkter Einfluss auf die Entstehung dieser Keramikgattung nachgesagt wurde. Bereits 1976 räumte der Oribe-Experte Takeuchi Jun’ichi ein, dass das wahre Ausmaß dieses Einflusses unbekannt sei.
Furuta Oribe war Samurai, später daimyô und Teemeister und stammte gebürtig aus Mino. Er diente den drei militärischen Führern Oda Nobunaga (1534–1582), Toyotomi Hideyoshi (1536–1598) und Tokugawa Ieyasu (1543–1616) und beging im Jahre 1615, vermutlich wegen eines gescheiterten Komplotts gegen das Tokugawa-Regime, rituellen Selbstmord.
Es ist bekannt, dass Oribe eine Vorliebe für extrem asymmetrische Teeschalen hegte, die von manchen seiner Zeitgenossen als Fehlbrände klassifiziert wurden. Da an seinem Wohnort bei späteren Ausgrabungen unten erwähnte Keramiken gefunden wurden, ging man von einem Zusammenhang aus. Oribe war nach Rikyûs Tod der Teemeister von den Regenten Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu und setzte sich für einen liberalen Teestil ein, in dem alles erlaubt sei.
Verkrümmte Matchaschale, schwarzes Oribe (kuro-Oribe)
Furuta Oribe war Samurai, später daimyô und Teemeister und stammte gebürtig aus Mino. Er diente den drei militärischen Führern Oda Nobunaga (1534–1582), Toyotomi Hideyoshi (1536–1598) und Tokugawa Ieyasu (1543–1616) und beging im Jahre 1615, vermutlich wegen eines gescheiterten Komplotts gegen das Tokugawa-Regime, rituellen Selbstmord.
Es ist bekannt, dass Oribe eine Vorliebe für extrem asymmetrische Teeschalen hegte, die von manchen seiner Zeitgenossen als Fehlbrände klassifiziert wurden. Da an seinem Wohnort bei späteren Ausgrabungen unten erwähnte Keramiken gefunden wurden, ging man von einem Zusammenhang aus. Oribe war nach Rikyûs Tod der Teemeister von den Regenten Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu und setzte sich für einen liberalen Teestil ein, in dem alles erlaubt sei.
ao-Oribe
Oribe-Keramik ist sehr vielfältig und es gibt diverse Begriffe, um die Stile voneinander zu unterscheiden. Zu den markantesten Stilen gehört das grün glasierte ao-Oribe, welches kreative Dekore auf hellem Untergrund tragen kann. Die grünen Oribe-Variationen gingen in ihrer Entwicklung aus den oben erwähnten ki-Seto-Keramiken hervor.
Oribe-guro
Oribe-guro sind häufig stark deformierte und asymmetrische schwarze Teeschalen. Dieser Teeschalen-Typ hatte im oben erwähnten Seto-guro einen Vorläufer. Typisch für Oribe-guro sind die fast dreieckigen Formen, die im Japanischen als kutsugata (Schuhform) bezeichnet werden. Oribe-guro trägt immer eine schwarze Glasur ohne Dekore und steht damit in einer Reihe mit schwarzem Raku und Seto-guro.
Kuro-Oribe
Kuro-Oribe ist letztlich eine Variation von ao-Oribe, denn anstelle der grünen Glasur wird einfach nur eine schwarze Glasur verwendet. Die Dekore werden häufig auf hellem Untergrund aufgetragen, z.B. schwarzes Dekor auf weißem Untergrund. Es gibt jedoch auch Beispiele für Teeschalen, die ein weißes Dekor auf schwarzem Hintergrund tragen. Das Ausmaß der Asymmetrie fällt selten so stark aus wie bei den extremen Oribe-guro, was auch darin begründet liegt, dass es schwerer ist, auf stark verkrümmten Flächen ein Dekor zu zeichnen.
Grünes Oribe (sô-Oribe) wurde im 16. und 17. Jahrhundert für viele Alltagsgegenstände verwendet. Dabei wird das komplette Gefäß in die grüne Kupfer-Glasur getaucht, bei Chawan kann der Fußring unglasiert bleiben. Da eine grüne Chawan in Verbindung mit Matcha nur wenig farblichen Kontrast bietet, verwundert es nicht, dass Reisschalen und andere kleine Behälter für japanische Beilagen populärer sind.
Narumi-Oribe
Bei Narumi-Oribe wird ein weiterer farblicher Effekt erzielt, indem neben weißem auch roter Ton verwendet wird. In Verbindung mit der grünen Glasur und einem passenden Dekor entstehen dadurch farblich kontrastreiche Keramiken, die häufig für Beilagenschälchen verwendet wurden.
Neben diesen prominenten Vertretern gibt es noch welche, die heute weniger bekannt sind. Der Vollständigkeit wegen, werden sie kurz genannt. Aka-Oribe (rotes Oribe) besteht ähnlich wie narumi-Oribe hauptsächlich aus rotem Ton und trägt ebenfalls die bekannten Dekore. Shino-Oribe (weißes Oribe) ähnelt sehr stark normaler Shino-Keramik, die Feldspat-Glasur ist weiß, glatter und filigraner als bei herkömmlichem Shino. Während es bei Shino begehrte rötliche Flammenspuren (hi-iro) gibt, bleiben diese bei Shino-Oribe aus. Wenn auf der Glasur noch ein Dekor aufgebracht wird, zählt man das Stück zu e-Oribe (dekoriertes weißes Oribe).